Erhard Scherpf I Fotografie etc. I Freie Arbeiten I Ausstellungen + Projekte I Vita I Links I Impressum I I Tote Tiere I Körperbilder I Bewegungsstudien I Dromovisionen I I Exposé I Tote Tiere 1 I Tote Tiere 2 I Tote Tiere 3 I Tote Tiere 4 I Tote Tiere 5 I |
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Tote Tiere Erhard Scherpf zeigte in seinen Einzel- und Gruppenausstellungen der letzten zwei Jahrzehnte überlebensgroße Bilder von Körpern, die sich radikal dem herrschenden Diktat des ausdruckslosen, immer gleichen Schönheitsideals verweigerten. Körperbilder von nackten Menschen, die durch Krankheit oder gewaltsame Einwirkung von aussen gezeichnet waren, die alt waren oder nach einer neuen Identität, nach einem neuen Körperbild mittels Tattoos und Piercings suchten. Die aktuelle Serie von Bildern von Tierkörpern nähert sich stärker als jede andere bisherige Arbeit dem unausweichlichen Ende des Lebens und versucht dem Tod so nahe wie möglich zu kommen. Die Aufnahmen der auf natürlichem Weg mumifizierten Tierkörper vermeiden alles beschönigende wie wir es von Tierpräparaten oder einbalsamierten menschlichen Körpern kennen. Sie verleugnen nicht den Tod und die Zeichen des Verfalls und der Vergänglichkeit. Gäbe es nach dem Tod keine Verwesung, wäre dem natürlichen Kreislauf des Lebens die Basis entzogen. Und es gäbe auch keinen Traum vom ewigen Leben und keine kulturelle Adaption dieser besonderen Form der natürlichen Körpererhaltung - Mumifizierung genannt. Einige der fotografierten Tiermumien sind Funde, die bei der Sanierung alter Gebäude entdeckt wurden. In der Regel entsteht diese natürliche Mumifizierung durch Austrocknung an einem wettergeschützten trockenen Ort. Die ausgetrockneten Tiere fanden sich in Scheunen und Schuppen, Kellern und auf Dachböden. Zu vermuten ist, dass sich die Tiere dorthin zum Sterben verkrochen. |
Ihre Erhaltung im mumifizierten Zustand ist ein Zufallsprodukt, da die Tiere in einem Milieu verendeten, das die Mumifizierung begünstigte und die Kadaver dort ungestört und entsprechend lange verweilen konnten. Trockene warme als auch trockene kalte Luft und direkte Sonneneinstrahlung sorgten für einen schnellen Wasserentzug. Das Gewebs- und Körperwasser verdunstete und die Zersetzung organischer Strukturen durch körpereigene Enzyme (Autolyse oder auch Selbstandauung genannt) wurde stark verlangsamt. Zumeist trocknete zuerst die Oberfläche des Tierkadavers sehr schnell aus, verfestigte sich später lederartig und verhinderte eine erneute Wasseraufnahme. Besonders gut lässt sich dies bei Reptilien beobachten. Im Inneren eines aussen bereits trockenen Körpers kann sich je nach Intensität und Geschwindigkeit der Trocknung die Feuchtigkeit unter Umständen jedoch länger halten und zur weiteren Fäulnis führen. Bei der Mumifizierung in unseren Breitengraden unter optimalen Umgebungs- bedingungen in Bezug auf Trockenheit und Luftzufuhr ist die Erhaltung innerer Organe deshalb vermutlich sehr unterschiedlich bis unwahrscheinlich, schon alleine deshalb, weil nicht nur körpereigene Prozesse nach dem Tod zu unterschiedlichen Stadien der Fäulnis führen. Fliegenmaden tragen maßgeblich zur Verwesung und Zerstörung eines Kadavers bei. Im Sommer kann es innerhalb weniger Wochen durch Madenfraß zu einer nahezu vollständigen Skelettierung eines über der Erde liegenden Kadavers kommen. Fliegenmaden tragen hauptsächlich auch zur Durchsetzung der Hautschichten bei. Sauerstoff kann dadurch in tiefere Gewebe vordringen und den Verwesungsprozess deutlich beschleunigen. Eingeweide und Muskulatur werden durch Aasinsekten und deren Maden aufgezehrt. |
Unter günstigsten Mumifizierungsbedingungen trocknet das von den Maden aufgelöste Weichteilgewebe jedoch auch sehr schnell wieder aus. Damit ist den Maden dann die weitere Nahrungsgrundlage entzogen und der Prozess stoppt. Ein Produkt des Fäulnisprozesses ist auch die Ablösung der Oberhaut. Haare sind dadurch leichter auszuziehen, bei Tierkadavern führt dies zur Fellablösung, an der auch Insekten maßgeblichen Anteil haben. Zurück bleibt dann nur eine lederne Hauthülle, die das Knochengerüst überzieht. Katzenmumienfunde unter der Türschwelle der Eingangstür zum Wohnhaus, in der Decke über dem Wohnbereich oder in der Nähe des Kamins lassen vermuten, dass es sich um sogenannte Bauopfer handelt. Dokumentiert sind Funde in Häusern aus dem 15. Jahrhundert bis zu Bauten aus dem 19. Jahrhundert. Da es für den Mumifizierungsprozess wichtig ist, dass die Haut intakt bleibt, wurden die Tiere vermutlich ertränkt oder ihnen wurde das Genick gebrochen. Danach wurden die Tiere eingeschlossen oder eingemauert. Hinter dem sogenannten Bauopfer steckte der Glaube, jeder Neubau fordere ein Opfer, um dämonische Mächte zu besänftigen und um Hexen und dem Teufel den Zutritt zum Haus zu verwehren. Das Böse sollte mit seinen eigenen Symbolen gebannt werden. Im Mittelalter glaubte man, Hexen könnten sich in Katzen verwandeln. Eine tote Katze im eigenen Haus zu vergraben sollte also eine Warnung sein, und Unglück vom Haus und seinen Bewohnern fernhalten. Was auch erklären könnte, warum in einigen Kirchen und Pfarrhäusern besonders viele Katzenmumien gefunden wurden. |
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Natürliche Mumifizierung entsteht wie gesagt durch Austrocknung. Körperhaltung und Ausdruck der Mumien bei natürlich zu Tode gekommen Tieren sind jedoch weitestgehend unverändert. Gekrümmte Gliedmaßen sind teilweise auf die Trocknung der Sehnen zurückzuführen. Einige der fotografierten Tiermumien wiesen jedoch auffälligere Veränderungen von Körperform und Körperhaltung auf. Bei den sogenannten Hausopfern ist dies sicherlich auf die beengten räumlichen Gegebenheiten zurückzuführen, in denen die Kadaver untergebracht, oder die Tiere lebend eingemauert wurden Bei anderen Tieren ist eine deutliche Gewalteinwirkung von aussen nicht zu übersehen: Katzen verklemmten sich in der Astgabelung eines Baumes, Ratten wurden in einem zusammenrutschenden Holzstapel verkeilt, Waschbären oder Marder verfingen sich in einem verspannten Netz zur Taubenabwehr, Mäuse und Frösche wurden auf der Strasse plattgefahren. Natürlich versuchen all diese Fotos den Tod an sich ins Bild zu setzen. Doch dieser entzieht sich einer fotografischen Erfassung und treibt das Medium Fotografie und unser Sehen und unser Erkenntnisvermögen an ihre Grenzen. Die Aufnahmen zeigen also etwas, was tot ist. Das Besondere aber ist, sie bilden sozusagen auch den letzten Bruchteil einer Sekunde eines Tierlebens ab, den letzten Moment, den letzten Wimpernschlag im zeitlichen Übergang vom Leben zum Tod, dem vielleicht ein länger dauernder Sterbeprozess voranging. |
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Ohne die zahlreichen Hinweise auf Sammler und deren Leihgaben hätte ich dieses Projekt nicht realisieren können. Danke für die Unterstützung an: - Stephan Küster, Rückersfeld - Rainer Scherb, Gilsa - Klaus Hottman, Schlierbach - Jochen Siebert, Lehmbau, Volkmarsen - Inge + Theo Mutter, Sippershausen - Ulrich von und zu Urff, Niederurff - Ernst-Ulrich von Teubern, Gaia-Holzbau, Dillich - Vera Grenner, Betzigerode - Martin Burberg, Töpferei Hundshausen - Gunter Altenkirch, Museum des saarländischen Aberglaubens, Gersheim - G. Frank Dähling-Jütte, Raußmühle - Alltagsmuseum der bäuerlichen Kultur, Eppingen Das Projekt wird fortgesetzt. |