Ausstellung: "Aufrechter Gang 1" I Ausstellungsbeitrag "Körperbilder" I
Gruppenausstellung, 14.03. - 04.04.2004, Eastside Gallery in der ehemaligen Salzmann-Fabrik, Kassel,
Ausstellung / Impressionen
Presse: > Aufrechter Gang< Eine Ausstellung
Hessisch-Niedersächsische -Allgemeine / HNA / 04. April 2004
"Das Unbehagen am Rande der Schönheit" zur Einführung von Juliane Gallo
Fotos Copyright © Erhard Scherpf
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Juliane Gallo >Das Unbehagen am Rande der Schönheit<
„Im April 2004 interviewte ich Erhard Scherpf zu seinem künstlerischen Beitrag in der Ausstellung >Aufrechter Gang<’. Ein glücklicher Zufall! Bildete seine Fotoserie doch ein interessantes Analogon zu dem Werkkomplex ‚Closed Contact’, den ich seinerzeit ‚zu durchdringen’ versuchte:
Ausgangspunkt meiner Magisterarbeit bildete das malerische Schaffen der englischen Malerin Jenny Saville(* 1970),
die sowohl umfangreiches Fotomaterial aus medizinischen Fachzeitschriften, Titelseiten von Modejournalen als auch Fotofragmente ihres eigenen Körpers zu monumentalen, schockierenden Körperlandschaften vermalt’.
Über formale und stilistische Einordnungen hinaus und hinweggehend, interessierte mich der ‚Körpereinsatz’, der erforderlich schien, um ein Bild zu schaffen. Dass besonders das Bild der Frau, das im Werk Jenny Savilles eine überaus dominante Rolle spielt, über Jahrhunderte der Kunstgeschichte geprägt, verändert oder ‚beschädigt’ auftritt, führte mich in meinen Studien über eine reine Werkanalyse hinaus.
Die primäre Wahrnehmung der `Frauen Körper’ Jenny Savilles schärfte meinen Blick und bestimmte die lustvolle wie schmerzerfüllte’ Suche nach Bildern von Weiblichkeit und Leiblichkeit in der Kunst. ‚Die andersartige Anschauung’ brachte für mich die Bedeutsamkeit des ‚eigenleiblichen Spürens’ zum Vorschein, die in einer Wellenbewegung der Kunstschaffenden ihren Ausdruck findet. Über das ‚Abbild der Frau’ und dessen gesellschaftliche Funktion hinaus von der gotischen Eva bis zur Barbiepuppe, ließen sich Rückschlüsse ziehen auf die Intention der Malerin sie untersucht und dekonstruiert Zuschreibungen an die Frau. Ansatzweise bezugnehmend auf die Bedeutung der ‚interfaces’ in der medialisierten Gesellschaft, lässt sich ablesen, wie wichtig es ist, die Schnittstelle, sei es die Benutzeroberfläche des Computers, oder die Hautoberfläche des Körpers, als Übergangs oder Verbindungsstelle zu erschließen […] Der ‚schockierende’ Einsatz unterschiedlichster Medien beweist nur die ‚Dringlichkeit der Aussage’, dass beim Thema Leib die Theorie der Praxis nachgeordnet ist: trotz des gegenwärtigen Körperkults in unserer Gesellschaft, entwerfen Künstler ein ‚Leidbild’ des Körpers.
Die hypermenschliche Psyche unseres Zeitalters wird von einer extremen Idolatrie geprägt. Die Idealisierung des Körpers, die seit der griechischen Antike im Zentrum des ‚Kunstmachens’ stand, hat, angestachelt von den Bedürfnissen des Marktes, eine ästhetische und technische Schwelle überschritten, die in der Darstellung menschlicher Vollkommenheit gipfelt. Gleichzeitig steht der Leib in einer globalen elektronischen Kultur immer weniger im Vordergrund der Körper, ein Relikt der Vergangenheit? Wird das ‚Natürliche’ dem Technologischen untergeordnet werden?
Wie wird der Körper das Selbst noch erfahren, außer durch Schmerz?
Juliane Gallo, M.A. Kunstwissenschaftlerin, freie Mitarbeiterin der Museumspädagogik (Staatliche Museen Kassel), Promotion (Titel ‚Das Unbehagen am Rande der Schönheit’) bei Frau Prof. Ursula Panhans Bühler, lebt mit ihrem 10jährigen Sohn in Kassel
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